180 Jahre Familie Blattmann in Wädenswil

5 Generationen Metallwaren und der Schritt in die Zukunft

 

 

 

 
Der Laden an der Lindenstrasse,um 1900

Der Laden an der Lindenstrasse,um 1900

1838

Spenglerei und Laden

Vor 180 Jahren richtete Gottfried Blattmann an der mittleren Zugerstrasse eine Spenglerei ein. Die einfache Werkstatt befand sich direkt hinter dem «Ochsen». Das Restaurant war bis 1973 dort, wo heute Reisen und Lingerie verkauft werden. Im Sommer arbeitete Gottfried Blattmann (1816 – 1858) als Bauspengler. Im Winter fertigte er Haushaltwaren an: Öllampen, Wasserkessel, Kännchen und Krüge. Seine Frau Therese Blattmann-Hauser (1814 – 1890) verkaufte sie im eigenen Laden an der Lindenstrasse.

Gottfried Blattmann starb, als sein ältester Sohn Ernst noch in Ausbildung war. So führte Therese den Laden und die Werkstatt allein – ungewöhnlich in der damaligen Zeit. Nach den Wanderjahren als Spenglergeselle trat Ernst Blattmann (1839–1905) 1868 schliesslich in die Fusstapfen seines Vaters. Er war Spengler, verkaufte aber auch Metallwaren aller Art im Laden, den seine Mutter weiterführte.

Laden und Werkstatt stehen nicht mehr. Aber spätere Generationen erinnerten sich an den Ort, an dem alles anfing. Auf Willi Blattmann, Gottfrieds Urenkel, geht die Granitskulptur «Figur II» von Hans Aeschbacher zurück. Wie eine Faust steht sie seit 1976 an der Ecke Zugerstrasse / Lindenstrasse. Willi Blattmanns mäzenatischem Engagement verdankt Wädenswil nicht nur dieses bedeutende Kunstwerk, sondern eine ganze Reihe weiterer kultureller Impulse.


1908

Vom Handwerk zur Fabrik

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vollzog Paul Blattmann (1869 – 1947) den Schritt vom Handwerker zum Fabrikanten. Nachdem er eine Fachausbildung in Deutschland genossen hatte, übernahm er 1900 das väterliche Geschäft. 1908 bot sich die Möglichkeit, die Metallwarenfabrik Diener am Floraweg zu kaufen. Paul Blattmann investierte.

Mit unternehmerischem Geschick modernisierte er die Fabrik. Er führte die Serienproduktion ein, schaffte elektrisch angetriebene Maschinen an und nahm die Verarbeitung des neuen Werkstoffs Aluminium auf – alles noch vor dem Ersten Weltkrieg. Die Produktvielfalt war gross: Von Salatsieben über Springformen bis zu Giesskannen wurde fast alles für den Haushalt hergestellt. Am bekanntesten war der «Caldor»-Heisswasserkessel, damals natürlich noch für Holzherde.

Das einstige Fabrikgebäude an der heutigen Poststrasse wurde 1970 abgebrochen für den Bau des Coop Centers. Spuren hinterliess Paul Blattmann vor allem in sozialer Hinsicht. Er setzte sich für den geregelten Zehnstundentag ein – damals eine Innovation. Und er führte eine Krankenversicherung für seine Arbeiter ein. Seine Söhne Paul und Willi knüpften an diese Tradition an: Ihr Engagement für preisgünstigen Wohnungsbau begann mit der Siedlung Gwad 1943 und setzte sich mit den Siedlungen Gulmenmatt (1959) und Hangenmoos (1969) fort.

Caldor-Werbung, 1930

Caldor-Werbung, 1930


Bau der heutigen Fabrikhalle, 1934

Bau der heutigen Fabrikhalle, 1934

1934

Umzug an die Zugerstrasse

In den Zwischenkriegsjahren wuchs das Unternehmen. Zu den Haushaltgegenständen kamen Möbel und Emballagen. Mit Paul Blattmann (1900 – 1985) trat 1923 die nächste Generation ins Geschäft ein. Sein jüngerer Bruder Willi (1906 – 1984) folgte 1929. Während Paul als ausgebildeter Spenglermeister der Praktiker war, widmete sich Willi Blattmann dem kaufmännischen Teil des Geschäfts.

Dem expandierenden Unternehmen wurden die bisherigen Räume zu eng. Die Gebrüder Blattmann engagierten den Architekten Hans Fischli, der an der Zugerstrasse einen Neubau erstellte. Als er 1935 bezogen wurde, übergab der Vater seinen Söhnen das Unternehmen. Es wurde in «P. & W. Blattmann, Metallwarenfabrik Wädenswil» umbenannt. Für Haushaltwaren etablierte sich die Marke «MEWA».

Eines der bekanntesten Produkte aus diesen Jahren ist bis heute der Landistuhl. Er wurde für die Landesausstellung 1939 in Zusammenarbeit mit Hans Coray und Hans Fischli konstruiert und produziert. Während des Zweiten Weltkrieges war Willi Blattmann eine der treibenden Kräfte beim «Industriepflanzwerk ». Die Arbeitgeber ermöglichten ihren Angestellten auf freien Parzellen Gemüse anzubauen, um so die Versorgungslage zu verbessern.


Werbung in den 1960er-Jahren: Die Grafikerin Rose-Marie Joray inszeniert das moderne Lebensgefühl des Wirtschaftswunders

Werbung in den 1960er-Jahren: Die Grafikerin Rose-Marie Joray inszeniert das moderne Lebensgefühl des Wirtschaftswunders

1966

Plastik-Welle und Neuorientierung

Die Wirtschaftswunderjahre brachten nach dem Krieg wie fast überall gute Geschäftszahlen. Die Fabrik wurde vergrössert und die Arbeitszeit gesenkt. Paul und Willi Blattmann engagierten den Designer Wilhelm Kienzle. Er entwarf unter anderem den federleichten Beistelltisch «Servi». Unter dem Markennamen «minmetalswiss» stieg das Unternehmen 1961 in die Produktion von Stahlmobiliar für das grafische Gewerbe ein.

Pauls ältester Sohn Ernst Blattmann (1927 – 2018) trat 1954 ins Unternehmen ein. Als sich sein Vater in den Ruhestand zurückzog, kaufte er ihm 1966 die Anteile ab und wurde Partner seines Onkels Willi. Gemeinsam standen sie vor einer grossen Herausforderung: Kunststoffe begannen Leichtmetall bei vielen Produkten zu verdrängen. Trotz Hochkonjunktur waren die Umsätze rückläufig.

Die Lösung war eine Konzentration auf die Blechverarbeitung: Halbfabrikate, Stahlmöbel, Spezialartikel sowie jene bewährten Haus- und Küchenartikel, die nicht aus Plastik sein konnten – Kuchenformen und Backbleche zum Beispiel. 1978 wurde die Firma in eine Familien-AG umgewandelt.


1976

1976

2001

Die Produktion wird eingestellt

Die Metallwarenfabrik beschäftigte zeitweise über 100 Mitarbeitende in den 1970er- und 1980er-Jahren. Numerisch gesteuerte CNC-Stanzmaschinen hielten Einzug in den Fabrikhallen. Das machte es möglich, immer spezialisiertere und anspruchsvollere Produkte herzustellen. So blieb man bis zur Jahrtausendwende trotz Konkurrenz aus Niedriglohnländern wettbewerbsfähig.

1998 übergab Ernst Blattmann den Betrieb an die Mewa-Metalight AG. Diese Firma mietete die Räume und die Maschinen von der Blattmann Metallwarenfabrik AG und beschäftigte die Mitarbeiter weiter. Doch der Markt hatte sich gewandelt. 2001 ging die Mewa-Metalight AG in Konkurs. Die Produktion wurde eingestellt. Als Rechtsform besteht die Blattmann Metallwarenfabrik AG nach wie vor. Nicht sie, sondern die produzierende Nachfolgefirma wurde liquidiert. Nach der Einstellung des Betriebs startete die nächste Generation der Familie Blattmann Schritt für Schritt eine Transformation. Im Dialog mit der industriellen Vergangenheit wird das Areal nun umgenutzt.

Kreativität und Innovation, kulturelles Engagement und soziale Verantwortung sowie das Bewusstsein, den Standort Wädenswil mitzuprägen, sind Werte früherer Generationen, die weitergepflegt werden. Denn der Wandel ist eigentlich nichts Neues: Jede Generation passte sich den Bedürfnissen ihrer Zeit an.